Stehende Wellen im seitlich driftenden Resonator

Wenn das Licht in der Lichtuhr ausreichend monochromatisch ist, es sich also nicht um einen Lichtpuls handelt, und wenn der Abstand der Spiegel gerade ein ganzzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge des Lichts ist, dann bildet sich in diesem Resonator eine stehende Welle aus. Ungefähr so, wie in einer Orgelpfeife, im Fall von Schallwellen. Für Licht ist das z.B. bei jedem Laserpointer so.
Hat die Lichtuhr, also der Resonator, jetzt zusätzlich einen seitlichen Drift, dann ist der stehenden Welle in Richtung der Spiegel, eine laufende Welle in Bewegungsrichtung überlagert.

Betrachten wir zunächst noch einmal einen Ausschnitt des seitlich driftenden Lichtstrahls, also eine schräglaufende Welle, wie in den folgenden beiden Bildern für Driftgeschwindigkeiten v gezeigt.

schräglaufende Welle (v/c=0.6)
schräglaufende Welle (v/c=0.28)

Diese Lichtwelle wandert also mit der Geschwindigkeit c schräg durchs Bild. Die Richtung der Geschwindigkeit, d.h. der Geschwindigkeitsvektor, steht senkrecht auf den Wellenfronten.
Bei der Bewegung eines Körpers kann man den Geschwindigkeitsvektor in seine Komponenten zerlegen, insbesondere in eine Geschwindigkeitskomponente in x- und eine in y-Richtung.
Bei einer Welle ist das nicht so einfach. Es gibt in x- und in y-Richtung nämlich je zwei verschiedene Geschwindigkeiten.

Die eine ist die „Gruppengeschwindigkeit“. Das ist die Geschwindigkeit, mit der sich ein bestimmter Punkt auf einer Wellenfront fortbewegt. Das könnte z.B. ein Surfer sein, der auf dieser Welle mitreitet. Diese Geschwindigkeit kann wie gewohnt in eine x- und y-Komponente zerlegt werden, die mit c über den Satz von Pythagoras zusammenhängen1.

Die andere ist die „Phasengeschwindigkeit“. Betrachtet man nämlich die Schnittpunkte der Wellen mit den Rändern des Bilds, dann sieht man, dass diese „eindimensionalen“ Wellen, die an den Rändern des Bilds in x- bzw. in y-Richtung entlanglaufen, eine größere Geschwindigkeit als c, also der Geschwindigkeit der Welle senkrecht zu den Wellenfronten haben. Man kann sich auch vorstellen, dass man bei den Videos von oben auf ein Aquarium blickt. Diese „eindimensionalen“ Wellen sind dann die Wellen, die man an den Scheiben des Aquariums entlanglaufen sieht2. Je kleiner der Winkel ist, mit dem die Wellenfronten am Rand auftreffen, desto größer ist diese „Phasengeschwindigkeit“.
Für diese „Phasengeschwindigkeiten“ gilt so etwas wie der „inverse“ Satz des Pythagoras bzgl. den Quadraten der inversen Geschwindigkeiten3.

Eine Welle ist nie unendlich ausgedehnt. Sie hat eine endliche Breite, ist also räumlich eingeschränkt. Und sie hat eine endliche Länge und ist damit zeitlich begrenzt. Die räumliche Begrenzung führt dazu, dass eine Welle immer gebeugt wird, und ein Lichtstrahl nie perfekt parallel sein kann. Ein Lichtstrahl ist folglich immer konvergent oder divergent, was sich auch sehr schön mit dem „Huygensschen Prinzip“ zeigen lässt. Die zeitliche Begrenzung hat als Folge, dass Licht nie perfekt monochromatisch ist. Je kürzer ein Lichtpuls ist, desto breiter ist sein Farbspektrum. Eng damit verbunden ist die „Heisenbergesche Unschärferelation“, sowohl zwischen Impuls und Ort, als auch zwischen Energie und Zeit.
In dieser Arbeit wird aber immer von einem parallelen, monochromatischen Lichtstrahl ausgegangen, was für die gemachten Überlegungen völlig ausreichend ist. Allerdings könnte es durchaus interessant sein, sich zu überlegen, welche Auswirkungen die Reflexion an einem bewegten 45°-Spiegel auf einen „realen“ Lichtstrahl hat, z.B. im Hinblick auf die Unschärferelationen.

Wir begnügen uns im Folgenden aber wieder mit einem näherungsweise parallelen Lichtstrahl. Das nächste Video zeigt die Amplitude eines seitlich driftenden Lichtstrahls entlang einer Linie in x-Richtung, also quasi einen Querschnitt durch einen seitlich driftenden Lichtstrahl. Man sieht sehr schön, wie der gesamte Lichtstrahl, genauer gesagt, dessen Einhüllende, mit der Gruppengeschwindigkeit v = cx nach rechts wandert. Unter der Einhüllenden läuft aber die eigentliche Welle mit der Phasengeschwindigkeit c2/v hindurch.

Gruppen- und Phasengeschwindigkeit bei einem seitlich driftenden Lichtstrahl (v/c=0.6)

Wenn in dieser Arbeit, und insbesondere in den Podcasts, von der Geschwindigkeit v die Rede ist, ist also immer die Gruppengeschwindigkeit gemeint. Außer bei der „Gleichzeitigkeit“ und beim „Kollaps der Wellenfront“. Da ist die Phasengeschwindigkeit ausschlaggebend.

Die letzten beiden Videos zeigen dann schließlich die stehende Welle in einem seitlich driftenden Resonator für unterschiedliche Driftgeschwindigkeiten. Diese seitlich driftende, stehende Welle ist das Ergebnis einer Überlagerung von einem seitlich driftenden Lichtstrahl, der nach oben, und einem, der nach unten läuft. Ein Querschnitt durch einen räumlich begrenzten, seitlich driftenden Resonator sieht genauso aus, wie im vorherigen Video, vorausgesetzt, man befindet sich nicht gerade an der Stelle eines Amplituden-Knotens im Resonator, wo die Intensität immer null ist.

Hinweis: In den Videos entspricht „weiß“ einem positiven Amplitudenwert, „schwarz“ einem negativen, und „grau“ einem Amplitudenwert null.

stehende Welle im seitlich driftenden Resonator (v/c=0.6)
stehende Welle im seitlich driftenden Resonator (v/c=0.28)

👉siehe auch: Seitlich driftender Lichtstrahl
👉zurück

———————————————–
(1) cGr,x2 + cGr,y2 = c2
(2) In einem Aquarium sieht das Wellenbild aufgrund von Reflexion usw. natürlich anders aus. Soll auch nur ein Gedanken sein.
(3) 1/cPh,x2 + 1/cPh,y2 = 1/c2